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Richtungsadverbien

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Die Richtungsadverbien im Walliserdeutschen vermögen die Herkunft des Sprechenden (Subjekt) oder über den gesprochen wird (Objekt) zu verraten. Grafik: Volmar Schmid

Die Richtungsadverbien ermöglichen es dem Zuhörer, die Herkunft des Sprechenden oder denjenigen, über den gesprochen wird, festzustellen. Gemeint ist hier die räumliche Herkunft von oben, unten, neben usw. und nicht die geografische (Tal oder Ort).

Abkürzungen: vgl. Bibliographie; Id. = Idiotikon, SDS = Schweizerdeutscher Sprachatlas; Duden = Duden Grammatik

 

VORBEMERKUNGEN:

 

Präfix am-

Das m in diesem Präfix gibt dem Hörer die Herkunft des Sprechenden oder desjenigen, über den gesprochen wird, bekannt. Es zeigt also immer an, ob jemand nach Hause geht oder nach Hause zurückkehrt: vom Sprechenden aus gesehen: ich gaa: amuber, amache,  amüff;  über den gesprochen wird: är geit (vom Subjekt aus gesehen): amuber, amap, amüff,- är chunt: amache, amiche. Das Präfix am- steht, vortonig, vor einfachen oder zusammengesetzten Richtungsadverbien (SDS, VII, VI 104) und bedeutet wieder zurück (wahrscheinlich kommt es vom Präfix an- und bewirkt durch sein pleonastisches Auftreten das Verständnis von „zurück": z. B. amache = an das An her zurück),- es wird auch, weil die Etymologie dem Sprachbewusstsein abhanden gekommen ist, pleonastisch verwendet (Id. 1/221). In der Grafik werden diese Bezüge durch Kreise (in der Mitte und an der Peripherie) dargestellt.

 

Präfix ver-         

Diese Vorsilbe verstärkt den Umstand des Zurück, wirkt also in Formen wie veramap, veramache etc. zusätzlich pleonastisch veramache = zurück wieder zurück her. Sie kann bei allen hier erwähnten Richtungsadverbien auftreten.

 

Suffix - che

Das Suffix - che ist eine lautliche Verkürzung von hin und her und lässt sich lautlich nicht mehr unterscheiden (Id. 11/1316 und 11/1318). hin: Adv. 1.1. (drückt die Richtung auf einen Zielpunkt aus); a) (räumlich) in Richtung (Duden, 111/1234); her: Adv. 1. zum Standort, in die Richtung des Sprechers, als Aufforderung, sich in Richtung auf den Sprechenden zu bewegen.

 

opschi, nitschi, am Hang, daana

Diese in der Grafik gerahmten Wörter sollen nur die grundsätzliche Richtung angeben: opschi = auf, hinauf; nitschi = ab, abwärts; am Hang = ein sich Bewegen in der Horizontalen, wobei ein "Hier" in der Grundbedeutung mitschwingt, und daana = drüben, dort, diesmal ein "Sein" vom Hier weg.

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Richtungsadverbien, Quelle: Alois Grichting: Wallisertischi Weerter, S. 139

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WORTERKLÄRUNG

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ache - amache: (ajä, acha, aha, ahe - ämachä, ummacha, ämacha, emacher, emaha; auch Zss.: verache - veramache mit gleichen Dialektvarianten). Dieses Wortpaar gehört nach der Logik der Herkunftsbezeichnung zusammen: ein Fremder kommt ache = her, wer aber hierzu Hause ist, kommt amache = her zurück (an das An her zurück). Gemeint ist ein seitliches Verschieben auf ungefähr gleicher Höhe, dabei ist aber zu beachten, dass sich im Gebirge das "Her" oft nur erreichen lässt, indem man zuerst in die Tiefe (oder die Höhe) steigt (Id. 1/161) Är chunt va Zeneggu uff Üsserbärg amache. Er kehrt aus Zeneggen (1200 M.ü.M) nach Ausserberg (1000 M.ü.M) zurück heim. Beide Dörfer liegen ungefähr auf der gleichen Höhe, doch muss man auf diesem Weg zuerst hinunter nach Visp (600 M. ü.M), um dann wieder nach Ausserberg aufzusteigen. Är chunt va Simpillu amache uff Ried-Brig. Er kehrt von Simplon-Dorf nach Ried-Brig zurück.. Hier muss man zuerst zum Simplonpass aufsteigen. Dabei sehen wir auch, dass man es bei diesen Ausdrücken, die die gleiche Höhe bezeichnen mit der Horizontalen nicht so genau nimmt: man sagt auch noch amache, wenn der Herkunftsort höher oder tiefer, aber nicht am gleichen Hang liegt: Är chunt va Vischp amache,- Er kehrt aus Visp zurück. Hier liegt Visp zwar tiefer (als Ausserberg), aber zunächst geht es in der Ebene nach Baltschieder und steigt erst dann hoch.

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uber - amuber: (ubr, ubär - ämuber, umupjä, umubär, ämubär, muberha, amuberha, ammubercha; auch Zss.: veruber –veramuber mit gleichen Dialektvarianten). Wir haben es bei diesen Richtungsadverbien wie oben auch mit einer Bewegung in der "Horizontalen" zu tun, aber im Gegensatz zum "Hier" steht jetzt das "Dort" im Zentrum. Ein Fremder geht  uber = hinüber, gegenüber, jenseits (Id. 1/58), ist der Sprechende oder von dem gesprochen wird dort zu Hause, geht er amuber = hinüber zurück (an das über hin zurück), gegenüber, jenseits.

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amap, mit gleichen Dialektvarianten). Wir bewegen uns in den folgenden Richtungsadverbien in der Vertikalen, d. h. bei unseren gebirgigen Verhältnissen am Hang ab-oder aufwärts. Hier handelt es sich um eine Form, die das Abwärts bezeichnet: apche = herunter, herab (Id. 1/30); die Form heisst eigentlich nur ap, aber in Assimilation mit den übrigen Richtungsadverbien hat sich auch hier die Form mit -che eingebürgert. Diese formale Logik setzt sich auch in den m-Formen, die das Heimkehren bezeichnen fort: amap wird zu amapche = zurück nach abwärts (an das Ap hin zurück).

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iche - amiche: (ihe, icha, icher - ämichä, ummicha, emicher, emihe, ämiche; auch Zss.: veriche - veramiche mit gleichen Diaektvananten). Auch bei diesen Richtungsadverbien bewegen wir uns in der Vertikalen abwärts. iche = herab (SDS, VI 111) besteht aus der Zusdmmensetzung von in-(Id. 11/1335) und -che (s. o.); der, von dem gesprochen wird, bewegt sich auf den Sprechenden zu: Mooru chunt de der Onkel Peeter iche z iisch. "Morgen kommt dann (der) Onkel Peter zu uns herunter" Onkel Peter wohnt also irgendwo "oben". Kehrt aber, von dem gesprochen wird, nach Hause zurück, sprechen wir von amiche = wieder herab (an das In her zurück): Mooru chomuntsch va der Alpa amiche. "Morgen kommen sie von der Alpe zurück". Die Älpler besitzen hier unten ihr Winterquartier. d.h. ihr eigentliches Zuhause.

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üff - amüff: (uff, uif - ummuif, emüff, ämüff, amuff; auch Zss.: verüff — veramüff mit gleichen Dialektvarianten). Dieses Paar entspricht dem oben besprochenen Paar ap - amap und bezeichnet das Aufwärts: üff = auf, hinauf (id.1/1 18). Auch hier bezeichnet amüff = wieder hinauf (an das Auf hin zurück), das Nach-HauseZurückkehren (SDS, VI 110).

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üeche - amüeche: (üeje, uacha, üechä, üecher, üecha - ämüächä, ummuacha, emüecher, ämüacha; auch Zss.: verüeche - veramüeche mit den gleichen Dialektvarianten). Auch dieses Paar bezeichnet das Aufwärts: üeche = herauf, aufwärts besteht aus der Zusammensetzung von ue-hin = auf-hin (Id. 1/162): Mooru chunt der Onkel Peeter üeche z iisch. Und, inzwischen schon des Erklärens überflüssig, bezeichnet amüeche = wieder herauf (an das Aufhin hin zurück (sic.!), die Rückkehr: Mooru chomunt schii va Visp amüeche "Morgen kehren sie von Visp (herauf) zurück". (SDS VI 109).

 

ambri - ambrüff: (apjä, umbri, abri, embri, ämbri, imbri - üöjä, umbruif, abrüff, embrüff, ämbrüff, imbrüff; auch diese Formen werden manchmal mit -che ergänzt, wobei man ambriche sehr wohl, jedoch ambrüffche nur ausnahmsweise hört; Zss.: verambri(che) - verambrüft. Das m in diesen beiden Formen bezeichnet nicht die Herkunft des Sprechenden; es stammt aus der Vorsilbe an-, dies zeigt sich auch in der an einigen Orten angetroffenen Sprechweise abri, abrüff mit einem nasal Besprochenen an; die Formen ambri und ambrüff sind wohl eher in lautlicher Analogie zu den oben behandelten Richtungsadverbien entstanden. ambri und ambrüff geben ganz neutral das Auf oder Ab an (SDS, IV 109ff.): Ärgeit ambrüff in d Alpa; är geit ambri uff Salgesch. Wie die Richtungsadverbien opschi = aufwärts; nitschi = abwärts, können auch ambri und ambrüff für sich selbst stehen, doch lassen sich mit ihnen aus dem Kontext heraus doch mehr und subjektivere Möglichkeiten ausdrücken.

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Die übrigen Richtungsadverbien liegen viel näher bei der Standartsprache, so dass sich in diesem Rahmen eine vertiefte Beschäftigung erübrigt, und dennoch lassen sich bei genauem Hinhören auch hier noch subjektive Unterschiede erkennen. Ich habe versucht, auch diese Unterschiede in die Grafik einzubinden und unter dem Gesichtspunkt des Heimkehrens oder Weggehens zu betrachten.

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Am klarsten ist der Fall wohl bei afort/ fort - zerugg/zrugg. Ärgeit ver an par Tägg afort, ischt de aber ds Wienächtu zerugg. „Er geht für ein paar Tage fort, ist aber an Weihnachten zurück", wobei aber auch hier noch in der heute eher veralterten Aussprachformen das Präfix an- analog der obigen Richtungsadverbien mitklingt. Ähnliches gilt für heim, und awäggMooru chumi churz heim, aber schoo um zääni müess i wider awägg. "Morgen komme ich kurz nach Hause (heim), aber schon um zehn Uhr muss ich wieder fort (weg)".

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Ein bisschen differenzierter ist der Gebrauch der beiden nächsten Paare: uss - vam, bei ihnen lässt sich unter Umständen aus dem Kontext die Herkunft des Sprechenden oder über den gesprochenen wird, feststellen; uss = aus:  Är chunt uss Zürich. "Er kommt aus (von, wohnt in) Zürich"; vam = von, (meist im Zusammenhang mit einer Tätigkeit), Är chunt vam schaffu. „Er kommt (kehrt nach Hause) von der Arbeit zurück". uff - va(n): Är geit de diräkt uff Bääru, wenn är va(n) Amerika zerugg chunt. "Er geht dann direkt nach (auf) Bern, wenn er von Amerika zurückkehrt".

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Eine richtig aus

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Eine richtig ausführliche Abhandlung gibt es über die Lokaladverbien von Visperterminen vom Heimweetäärbiner Dr. Erich Zeiter aus Baden: Ambri – ambrüf LOKALADVERBIEN IN DER ‘TÄRBINER’-MUNDART

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Mehr zum Thema Lokalaverbien; vgl. Richtungsadverbien im Bayrischen

Quelle: Volmar Schmid, Wir Walser, 34. Jahrgang, 1/1996, S. 35 ff.

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Richtungsadverbien, Quelle Grafik 2 und 3: Alois Grichting: Wallisertischi Weerter, S. 157

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Interessant: Bachmann Sandro: Hiena und daana dum Bäärg - Wie man sich im (Walliser) Dialekt zurechtfindet. Aus: Mundart. Mitteilungsblatt des Mundartforums 2020, S. 8 - 16

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