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Autorenbildvolmar.schmid

Was glaffu hescht, chascht nimme frässu.

Bildquelle: Stebler: An den Sonnigen Halden am Lötschberg, 1913, S. 84


Eine rüde, grobe Sprache, in der der Walliser mahnt!  Es geht ums Trinken, also nicht ums Trinken, um sich lebensnotwendige Flüssigkeit zuzuführen, sondern um das sich Betrinken. Das Trinken, um sich zu berauschen.  Frühen hatte fast jeder Walliser seinen eigenen Wein, selbst angebaut, selbst gekeltert, selbst getrunken. Bei jeder Mahlzeit, bei jeder Arbeit wurde dieser Wein getrunken. Ein Säumer hatte Anrecht an einer 2 Liter Battilla Wein pro Tag (bei manchem Säumer soll das bei weitem nicht gereicht haben). Wein war (und ist) ein Lebensmittel, er spendet Kraft und löscht den Durst.  Für den Wein wurde jede Last auf sich genommen; schaut euch doch mal die bis zu 10 Meter hohen Mauern in unseren Weinbergen an. Rebbau war sehr arbeitsintensiv, es begann mit dem Faaru[1], fuhr fort mit dem Schneiden, Foltern, Binden, Köpfen, Spritzen, Wässern und Jäten und Jäten…, dann wieder Spritzen, Ausblättern und endlich Lesen. Dann kamen die Trauben ins Fass, eines für den Roten, eines für den Weissen; was nicht in diese Sortenfässer passte, kam zusammen in ein drittes, das gab dann den Schiller[2]. Leider war dann oft von den Mühen, die man sich im Rebberg gab (was sägunt de Liit![3]) nicht mehr viel zu spüren. Wie oft habe ich meinen Vater gehört, jetz miess wer ga Abzie[4] und das wiederholte sich in der Regel drei Wochen, bis dann der Wein oft schon leicht verdorben war. So im Februar, März war er noch spritzig und süffig, dann bekam er aber immer mehr Luft und wandelte sich zu einer manchmal grausigen Plörre. Trotzdem behauptete jeder, miine ischt der beschte, und lud stolz immer wieder seine Nachbarn oder Freunde in den Keller ein, den Wein zu probieren. Das tat man dann auch und manchmal reichlich, denn zwei Konstante gab es: der Wein behielt seinen Alkoholgehalt und man war es sich nicht anders gewöhnt.

Nun aber zurück zu unserem Sprichwort: Was glaffu hescht chascht nimme frässe! Drastisch wird uns hier von der Trunksucht gewarnt. Was du vertrunken hast, fehlt dir im Haushalt. So soll es in Ausserberg Leute gegeben haben, die ihren Wein im Keller in St. German eingekeltert haben und dann den fertigen Wein mit einem Saumtier nach Ausserberg führten. Es soll solche gegeben haben, die brauchten Ende Jahr kein Saumtier mehr, da sie ihren Wein schon versoffen hatten: der Wein als Lebensmittel fehlte da, und nicht nur dass, Alkoholsucht führt zur Haltlosigkeit und damit oft zu Armut und Elend – eben: was verlaffu hescht, fehlt dir später!

Volmar Schmid, 9. 10. 24


[1] Faaru, früher wurde im Herbst ein Zweig jeweils einer Rebe nicht geschnitten, der wurde dann in die Erde gelegt und bildete im nächste Frühjahr 70 bis 80 cm daneben eine neue, verjüngte Rebenreihe. Da die Walliser Weinsorten für diese Reblaus anfällig waren, wurde in den 50er und 60er Jahren, alle Wallisersorten auf amerikanisch, reblausresistente Unterlagen gepfropft.

[2] Schiller, ein Rosewein, der aus weissen und roten Trauben gemeinsam gekeltert wurde.

[3] In den Reben wurde peinlichst darauf geachtet, dass ja kein Unkräutchen das propere Bild des eigenen Rebberges verunstalten konnte. Wer nicht regelmässig penibel jätete, galt als Schlendrian, unser Nachbar, der sein Unkraut fröhlich spriessen liess, galt als ds Goscherli, ein Schwein.

[4] Abzie, den Wein vom Trester nehmen.

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