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Vam Ettro und miiner Müemma

Bild: Müemma Schoosa und Ettro Hannes, Ostermontag, 1944


« Tempora mutantur et nos mutamur in illis »; die Zeiten ändern sich und wir uns in ihnen, sagt man schon länger, und trotzdem tun wir uns mit dem Wandel manchmal schwer. Immer wieder treffe ich auf Leute, die den alten Wörtern nachtrauern – den Wörtern ja, aber nicht der Zeit. Es kommt mir mit der Sprache so vor, wie die Schäfer in unserer Gegend: sie möchten ihre Schafe züchten wie vor 50 Jahren: im Juni rauf auf die Alpe, dann zwei drei fröhliche «Gläcktägg» auf der Alpe und im Herbst wieder runter, zumindest mit denen, die man noch findet, und das alles mit den Subventionen von heute. Man kann nicht die Sprache unserer Väter bewahren und gleichzeitig mit der modernen Zeit gehen. Leg ich di Sägessa auf die Seite und greife zum Motoormeejer, lege ich gleichzeitig auch das Wort weg – man nennt das Wandel, in unserem Falle Sprachwandel. Ja, es gibt sichere Werte: Broot bleibt Brot und Chees bleibt Chees, aber wer von den Jungen kennt noch: herts Broot, sie mussten ja nicht mehr im doppelten Sinne herts Broot ässu. Da früher selten (einmal im Monat oder länger) gebacken wurde, waren die letzten Laibe immer pickelhart, man schlug einen Klumpen ab und nagte, mit Speichel aufgeweicht, den Tuggol langsam ab. Aber herts Broot ässu, bedeutete auch, hart durchs Leben müssen. Gut, das ist auch hart, wenn man mit zehn noch kein Handy hat, aber herts Broot ist es nicht. Der grosse Ruck in Sachen Sprachwandel erreichte unsere Bergdörfer in den fünfziger Jahren, als auch bei uns Tourismus und Industrie Einkehr hielt. (Denken wir daran, die Strasse nach Saas Fee wurde 1950 gebaut, nach Grächen 1956). Wir legten unsere Tschiffra auf die Seite und griffen zur Motoorgaretta, d Howwa ersetzten wir durch du Motorwinnupflüeg. Sprachwandel geschah aber auch ohne Not: aus dem Üsstag oder Langsi wurde Früelig, aus dum Maano der Mond; logisch, mit dem Aufkommen der modernen Medien glich sich unser Dialekt immer mehr dem Hochdeutschen an, natürlich weiter in walliserdeutschen Lautung. Einiges davon begann schon früh; fasziniert hat mich immer der Wandel vom Ettro zum Onkel oder der Müemma zur Tanta. Heute ist es klar, man sagt nur noch Onkel und Tante, aber in meiner Jugend (50er) brauchte man beide Begriffen noch nebeneinander und ich suchte immer nach der Logik der Verwendung, bis ich glaubte sie gefunden zu haben: der Vaterseite sagten wir Ettro und Müemma, der Mutterseite Onkel und Tante, super! Leider stimmt das nur zum Teil: die Mutterseite stimmt, aber auf der Vaterseite hatte ich plötzlich ein furchtbares Durcheinander, zwar gab es den Ettro Gottfrit und Müemma Schoosa, aber daneben gab es auch den Onkel Ernest und ds Tanti Anni, jüngere Geschwister meines Vaters – auch eine Systematik: die Älteren Ettro und Müemma, die Jüngeren Onkel und Tante – logisch! Weit gefehlt, der älteste mit Jahrgang 1901 war der Onkel Fridolin? Und damit das Ganze nicht allzu einfach wird, war unser Nachbar der Ettro Hannes, den wir aber auch Onkel Scha nannten.

Einige finden diesen Sprachwandel schatt, andere wiederum finden es geil!

Volmar Schmid, 12. 8. 24

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