Är het herts Broot miessu ässu! Er musste hartes Brot essen! Eine Redensart, die oft eine harte strenge Jugend bezeichnet, die ein hartes, entbehrungsreiches Leben beschreibt.
Doch was jetzt? Ich habe in meiner Jugend oft, ja fast immer hartes Brot essen müssen. Wenn wir aus der Schule kamen, gab uns die Mutter an Tuggol Roggubroot, ein hartes Stück Roggenbrot, an dem wir dann eine ganze Weile zu nagen hatten. Mit unserem Speichel haben wir es aufgeweicht und dann Schicht um Schicht bis zum letzten Grumen abgenagt und verzehrt. Ist das jetzt das Sinnbild einer strengen, harten Jugend: nein! Wir wurden alle sieben Kinder immer satt und wurden für die täglichen Arbeiten in Feld und Stall nicht mehr gefordert, als alle anderen Kinder auch. Zwar war die Rute ein ständiger Begleiter unseres kindlichen Alltags, aber das nahmen wir in unsere Kalkulation zwischen Vergnügen (Necken, Zanken, auch mal Schläge austeilen) und Schmerz (die Rute) in Kauf. Das Brot war einfach hart, weil man in früheren Zeiten nur sehr selten gebacken hatte, so zum Beispiel „ein- bis zweimal im Jahr in Täsch, Zermatt oder den Leukerbergen, 2-mal im Jahr, Frühjahr und Herbst, z. B. in Steg, Gampel, St. Niklaus, Stalden, Binn; 4-mal im Jahr in unregelmässigen Abständen z. B. in Visperterminen, Mörel, alle drei Monate z. B. in Randa, alle zwei in Törbel, Ernen; alle 3 – 4 Wochen z. B. in Ausserberg“[1]. Denn Brot backen war immer eine aufwendige Gemeinschaftsarbeit, deshalb wurde gleichzeitig immer viel Brot gebacken, das wurde dann im Unnertach in Brootleitre aufbewahrt und logisch, waren die letzten Brote steinhart, mussten oft mit dem Beil verteilt werden. Bekannte Bastler haben sich sogar mit alten Militärsäbeln ganze Brotschneidevorrichtung gebaut. (Das nenne ich mal eine sinnvolle Verwendung von „Kanonen zu Pflugscharen“!) Auch als dann in den Fünfzigerjahren Dorfbäckereien aufkamen, z. B. ds Zesi in Ausserberg, holte man immer noch nicht „sein tägliches Brot“. Wir ernteten unser Korn (Roggen) selbst, reinigten es in der Chooruwanna, liessen es mahlen und brachten das Mehl zum Bäcker. Alle vierzehn Tage wurde ich mit einem Chindertschiferli in die Bäckerei geschickt, um dort vier Laibe zu zwei Kilo abzuholen. Einer kam in die Broottricka, die anderen drei ins Unnertach. Die ersten Bissen waren recht frisch, der Rest wie üblich hart, bis steinhart. Also, wir haben oft hartes Brot gegessen und trotzdem mussten wir nicht herts Broot ässu. Darum hat der Walliser diese Redensart zu einem Sprichwort erweitert, das die Situation nun auf den Punkt bringt: Herts Broot ischt nit herts Broot; keis Broot ischt herts Broot. Hartes Brot ist kein Elend, kein Brot ist ein Elend[2].
Sprichwörter oder sprichwörtliche Redensarten zum Thema Brot kennt das Walliserdeutsche noch mehr: Äss chunt alls, nummu der Sack mit dum Broot nit. Alles mögliche fällt einem zu, nur für seinen Lebensunterhalt muss man Arbeiten. Du müescht der sälber zum Broot verhälffu. Du musst für dich selbst sorgen. Mit im ischt nit güets Broot z ässu. Mit ihm kann man nicht auskommen. Sälber uber di Broottricke mägu. Für sich selbst sorgen können…
Volmar Schmid, 16. Okt. 2024
[1] Vgl. Volmar Schmid: Kleines Walliser Wörterbuch. Gebäude. Visp, 2003, S. 37
[2] Vgl. Sprichwörter
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